Die Siedlung Meiriacker steht exponiert auf einem flachen Hügel in der Baselbieter Gemeinde Binningen – eine prominente, hochwertige Lage, die bei den Bewohnern (wie wir im Gespräch mit ihnen erfahren haben) einen gewissen Besitzerstolz weckt und Identifikation mit dem Ort erzeugt.
Gestalterisch folgen die Wohngebäude aus den späten 60er-Jahren, mit den vorfabrizierten Betonelementen und dem Sichtbackstein, der damaligen Architektursprache.
Eine Renovierung im bewohnten Zustand durchzuführen, ist immer eine besondere Herausforderung.
Hierzu erfordert es besonders an sensiblen Umgang mit der Aufgabe, eine klare Informations- und Partizipationsstrategie und unsere hohe soziale Kompetenz im Umgang mit den Bewohnern.
Während der Renovierung müssen die Mieterinnen und Mieter zeitweise rohbauartige Zustände in Kauf nehmen welche die Intimsphäre teils komplett aufheben.
Für eine solche Aufgabe bedarf es angemessene architektonische Lösungen und zugleich streng und effizient getaktete Bauabläufe, um den Bewohnern nicht mehr Staub und Lärm als notwendig zuzumuten.
Analyse Bausubstanz
Erste Etappe. Im Planungsprozess analysieren wir zusammen mit der Bauherrschaft und den dafür ausgewählten Experten die Bausubstanz.
Diese Analyse gibt uns wiederum entscheidende und daher wichtige Rückschlüsse für die konkrete Aufgabenstellung. Sie setzt sich demnach aus den drei Teilen «energetische Gesamtrenovierung», «Aufwertungen der Wohnungen» und «Neuausrichtung der Balkone» zusammen. Als Ziel formulieren wir die Schaffung von nachhaltigem Wohnen, ohne den Wohnraum zu verteuern – so entsteht dabei neben der Werterhaltung auch Mehrwert.
Planungsprozess
Die Wohnungen zusätzlich zu ihrer Vergrösserung auch mittels Neuausrichtung der Balkone aufzuwerten, stellt einen grundlegenden Entwurfsentscheid dar.
Die von uns entwickelte «Windrad-Anordnung» der Balkone ermöglicht diese zu erweitern und je nach Ausrichtung unterschiedlich über die Gebäudeecken zu organisieren, welche in Form und Grösse variieren. Damit profitieren neben den nach Norden auch die nach Süden orientierten Wohnungen vom Ausblick Richtung Basel. Umgekehrt können die Bewohner der «Nord-Wohnungen» auf ihren Balkonen mehr Sonnenstunden geniessen.
Ausserdem sind die Balkone mit einer Windschutzverglasung ausgestattet, um sie auch bei unfreundlicheren Wetterverhältnissen als Wohnraum zu nutzen.
Dadurch erhalten die jeweils auskragenden Balkone eine angenehme volumetrische Präsenz – und mit ihrer Ausdrehung vermitteln sie zur Umgebung bzw. findet eine Verzahnung mit ihr statt.
Die neuen Balkone schaffen eine Asymmetrie, auf die in der Fassade reagiert werden muss. Wir glauben nicht, dass das Beibehalten der ursprünglichen Fassadensprache eine architektonisch befriedigende Lösung sein kann. Gleichwohl sehen wir insbesondere in ihrer vorhandenen tektonischen Ausprägung eine Qualität. Wir ersetzen die vertikalen Bänder, die dem neuen Grundriss nicht mehr entsprechen, durch eine horizontale Fassadengliederung. Damit passen sich die renovierten Baukörper optisch der gebauten Umgebung an; und gleichsam gibt ihnen die zeitgemässe Gestalt eine grazile Eigenständigkeit.
Bauprozess
Erste Phase Rückbau und Neuaufbau der Fassaden
Zuerst erfolgt die Abschälung der äusseren Backsteinschale inkl. der Isolation und Waschbetonelemente. In derselben Bauphase werden die Fenster wie auch die alten innen liegenden Rollläden demontiert und getaktet, zwei Tage später die neuen Fenster montiert.
Zweite Phase Rückbau und Neuaufbau der Balkone
In einer Rekordzeit von vier Tagen findet die Demontage der alten, an die innere Tragstruktur verhängten vier Balkontürme – mittels einem 100 Tonnen Mobilkran – statt. Dieser Etappenerfolg basiert auf Vorbereitungen, die einem minutiösen Schrittplan folgen, aber auch auf den innovativen Ideen der beauftragten Baufirma.
Ebenfalls in Rekordzeit erfolgt die Betonierung, die als Hybrid – mit Ortbetondecken und vorgefertigten Brüstungen – funktionieren. Eine weitere Innovation stellt die Deckenarmierung dar, die auf am Boden liegenden Schalungsmatrizen vorgefertigt wird, um so die langwierigen Ortbetonarbeiten zu kürzen.
Nach der Aushärtungszeit resp. erreichten Standsicherheit der neuen Balkontürme werden auf den Balkonen die Windschutzverglasungen eingebaut.
Nachfolgend sind in jedem Zimmer (aufgrund der Umstellung auf neue Fenster in der ersten Phase) Innenarbeiten erforderlich. Diese umfassen neue Sturzbretter, Innenbänke aus Eiche, Gipser- und Malerarbeiten.
Dieses Vorgehen fordert von den Bewohnern wie auch von der Bauleitung viel Geduld, teilweise an die Belastungsgrenze gehend.
Dritte Phase Aufbau der Fassade und technische Montagen
Nun findet das Anbringen der neuen Fassadenverkleidung statt – ein WDVS-System mit EPS Isolation. Danach die Applikation der Klinkerverkleidung inkl. technischer Montagen (etwa Balkonverglasungen, Markisen- und Storenanlagen) – und das alles vor Wintereinbruch. Zeitgleich erfolgen die Entfernung des alten Dachaufbaus und das Aufbringen der neu isolierten Schwarzbedachung.
Fertigstellung
Nach der Renovierung. Heute präsentieren sich die drei Punktbauten in einem eleganten Klinkerkleid.
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Damit nimmt die Siedlung nicht nur ein Element der alten Fassaden auf, sondern spiegelt den Charakter des gesamten Quartiers, denn Sichtbackstein ist in diesem Teil Binningens ein auffallend häufig verwendetes Baumaterial. Die Transformation in eine moderne, zeitgemässe Gestalt, ohne den Grundcharakter zu verändern, bildet denn auch das Renovierungsthema. In diesem Kontext schaffen optimierte, weiterentwickelte Balkone mehr Komfort und dadurch Mehrwert, ohne den Wohnraum zu verteuern.